Кirill
A. Кantur
Professor, Odessa, Ukraine
DIE EUROPÄISCHEN
SPRACHWISSENSCHAFT DER ERSTEN HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS: GRIMMSCHES GESETZ
Kirill Kantur. The European linguistics of the first quarter of the XIX century:
Grimm`s Rule. This article is an attempt
to characterize the operational component of comparative historical method in
European linguistics of the first quarter of the XIX century. The material of
the first Germanic consonants transmission (Grimm`s Rule). The author shows
that a systematic approach to language was the first admission of the genetic
identification of facts which prevailed over the linguistic reconstruction
procedure in comparative date. The features of the first study of Germanic
consonants in the Comparative study of the XIX – XX centuries have been learnt
with the emphasis on the methodological aspects.
Key
words: comparative-historical method,
operational component, genetic identification evidence, linguistic
reconstruction, Grimm1s rule, linguistic historical aspect.
In der
Sprachwissenschaft geschahen die kolossalen Veränderungen, die ihre dynamische
Entwicklung von 19. Jh. bis Anfang des 21. Jhs. begannen. Über die
historisch-vergleichende Sprachwissenschaft von 1820 bis 1860 gibt es nur wenige
Untersuchungen. Für die entsprechenden linguo-historiografischen Arbeiten
sind kennzeichnend, einerseits, ihre fragmentarische Beschaffenheit,
andererseits die Ungegliedertheit solcher Phänomene, wie die Prinzipien
und die Ansätze, die Arbeitsgriffe und die Prozeduren (die zur ontologischen
und zur operationalistischen Komponente der historisch-vergleichenden Methode
gehören).
Im vorliegenden Artikel ist der Versuch
unternommen, die maximal volle Charakteristik der operationalistischen
Komponente der historisch-vergleichenden Methode in den Werken der
Begründer der historisch-vergleichenden Methode zu geben, und zwar in den
Werken von dem deutschen Sprachwissenschaftler Jakob Grimm (1785–1863). Gerade
diesem Gelehrten, neben dem dänischen Forscher Rasmus Rask und dem deutschen
Vertreter der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft Franz Bopp, kommt
die Ehre der Eröffnung der historisch-vergleichenden Methode zu [1, S. 287]. Die Vertreter verschiedener Länder Europas, sie sind zum Schluss über das Vorhandensein
der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Sprachen Europas und Indiens
unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis (später ist der Terminus
die indoeuropäischen Sprachen entstanden) gekommen und fingen an, diese
Sprachen im historischen Aspekt zu vergleichen, in erster Linie das Material
der altertümlichen (“ausgestorbenen”) Sprachen heranziehend (unter ihnen
hat eine besondere Stellung das Sanskrit eingenommen). Im Laufe dieser Arbeit
haben sich bestimmte Arbeitsbegriffe und die Prozeduren gebildet, die sich von
19. Jh. bis zum Anfang des 21. Jhs. vervollkommneten.
Problemstellung. Es
wird der operationalistischen Komponente der sprachwissenschaftlichen Methoden,
einschließlich der historisch-vergleichenden, ungenügend
Aufmerksamkeit geschenkt. Das führt zur unvollständigen
Charakteristik der historisch-vergleichenden Methode und der
historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft insgesamt. So wird das Verwenden
von der operationalistischen Komponente der historisch-vergleichenden Methode
in dem linguo-historiografischen Aspekt (mit der Konzentration der
Aufmerksamkeit auf den Werken der hervorragenden Sprachwissenschaftler vom 20.
Jh. bis 21. Jh., die im Bereich der historisch-vergleichenden Methode arbeiten)
außerordentlich aktuell.
Der Begriff
Grimmsches Gesetz ist in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
gefestigt. Die Rede ist von der ersten deutschen Konsonantenverschiebung (auf
Deutsch Lautverschiebung). Man muss sagen, dass in den ukrainischsprachigen,
russischsprachigen, englischsprachigen und in anderen Quellen auch der Begriff
das Gesetz von Rask-Grimm angewendet wird. Wie die Historiografen der
Sprachwissenschaft bemerken [27, S. 51; 63, S. 37; 61, S. 701], haben drei
Sprachwissenschaftler dieses Gesetz unabhängig voneinander begründet:
R. Rask [64, S. 26–27], J. Bredsdorf [54, S. 31–32] und J. Grimm [58, S.
36–41]. Es gibt auch anderen Blick auf dieses Phänomen: die Vorgänger
von J. Grimm R. Rask und J. Bredsdorf haben „die einzelnen
Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung der germanischen Konsonanten“
geöffnet, aber Grimm „gehört das unbestreitbare Verdienst in der
Systematisierung der angesammelten Tatsachen und ihrer Vorstellung eines
bestimmten Komplexes der gegenseitig abhängigen Erscheinungen“ [26, S.
196–197].
Das Ziel der
Recherche ist die Aufklärung der Besonderheit der operationalistischen
Komponenten der historisch-vergleichenden Methode in den Werken von Grimm (auf
dem Material der von ihnen geöffneten historischen phonematischen
Gesetze), die allseitige Charakteristik des Vorgehens und der Prozeduren dieser
Methode. Eine solche Analyse muss man mit den modernen Konzeptionen der
historisch-vergleichenden Methode durchführen.
Dieses Ziel wird in folgenden
Aufgaben konkretisiert: 1) die Struktur der operationalistischen Komponenten
der historisch-vergleichenden Methode zu öffnen; 2) die allseitige
Charakteristik der Arbeitsmethode und Prozeduren dieser Methode in den Werken
von Grimm (im Kontext der europäischen historisch-vergleichenden
Sprachwissenschaft von 1820 bis 1860) aufzuklären.
Die Darlegung des Forschungsmaterials. Der Begriff „sprachwissenschaftliche Methode“ wird in verschiedenen
Bedeutungen angewendet. Meistens deutet man ihn im engen Sinn, wie die
Gesamtheit der Verfahren, die in der Forschung der Sprache [2, S. 232] verwendet werden. Jedoch
entspricht diese Interpretation nicht der Bedeutung des Wortes die Methode wie
einer bestimmten Weise des Herangehens an die Wirklichkeit [16, S. 89]
vollkommen, reichert den Begriff der sprachwissenschaftlichen
Methode an. Perspektivisch scheint es die breite Deutung der Methode wie der
komplizierten logischen Einheit des heterogenen Charakters zu sein.
Man soll bemerken, dass
die Wissenschaftler auf dem Gebiet der sprachwissenschaftlichen Historiografie,
die die Werke der Vertreter der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft
des 19. – Anfang des 20. Jhs. analysieren, teilen die Perioden der Entwicklung
der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft wie folgt ein: erste Periode
(von 1820 bis 1860) und zweite (von 1870
bis 1930) [22; 9, S. 5].
Die Begründer
der historisch-vergleichenden Methode untersuchten vor allem die Einheiten der
phonologischen Ebene der Sprache (mit Ausnahme des vorzugsweisen Grammatikers
F. Bopp,). Für die Sprachwissenschaft vom 19. Jh. bis Anfang des 20. Jhs.
wurde das in einem bestimmten Maße Tradition. Deshalb analysieren wir bei
der weiteren Darlegung des Materials vor allem die historisch-phonetischen
Arbeiten.
Die phonetischen
Bedingungen der ersten deutschen Konsonantenverschiebung haben die
dänischen Gelehrten Rasmus Christian Rask (1787-1832), Jacob Hornemann
Bredsdorff (1790-1841) und am meisten – Jakob Grimm (1785-1863) bestimmt. Wir
bemerkten, dass der deutsche Sprachwissenschaftler Franz Bopp den Fachbegriff
„das phonematische Gesetz“ in die Sprachwissenschaft eingeführt hat.
Rask, Bredsdorf und
Grimm haben festgestellt, dass die erste Verschiebung der Konsonanten in der
urgermanischen Epoche geschah, und deshalb gibt es diese Erscheinungen in allen
germanischen Sprachen, in den „lebenden“, als auch in den „ausgestorbenen“.
Deshalb wird behauptet: wenn die dem Grimmsches Gesetz entsprechenden Verschiebungen
in einer indoeuropäischen Sprache nachgewiesen sind, muss man diese
Sprache der deutschen Gruppe zurechnen.
In der Formulierung
des Grimmsches Gesetzes wurde das Systemherangehen der ersten europäischen
Sprachwissenschaftler der historisch-vergleichenden Richtung zu den
sprachlichen Erscheinungen, die in ihrer Geschichte betrachtet werden, hell
widergespiegelt. Besonders wurde dieses Herangehen in „Deutscher Grammatik“ von
J. Grimm ausgeprägt, was W.W.Lewizki betonte [26, S. 196-197].
In der
sprachwissenschaftlichen Historiografie hat ein Standpunkt eine bestimmte
Entwicklung bekommen, entsprechend dem für die Mehrheit der historisch-vergleichenden
Forschungen des 19. Jahrhunderts war die Abwesenheit des Systemherangehens an
die Sprache charakteristisch. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
verstand nur W. Humboldt den Systemcharakter der Sprache, was in der Analyse
des konkreten Materials widergespiegelt ist. Die Zeitgenossen von W. Humboldt
und die folgenden Generationen der Sprachwissenschaftler sind den
entgegengesetzten Weg des atomistischen, isolierten Studiums der abgesonderten
Elemente der Sprache gegangen; zur Idee des Systemcharakters der Sprache sind
die Sprachwissenschaftler wesentlich später dank den Werken von J.
Baudouin de Courtenay und F. de Saussure zurückgekehrt. In diesem Plan
werden manchmal die historische Phonetik und die historische Phonologie sogar gegensätzlich
bewertet [36, S. 78, 171].
Ähnliche Ideen
entwickeln die Autoren, die die Konzeptionen, die in verschiedenen Perioden der
Sprachwissenschaftsgeschichte vorgebracht wurden, in „synthetisierende“ und
„aspektierende“ teilen. Das Systemherangehen bei der Sprache wurde innerhalb
der synthetisierenden sprachwissenschaftlichen Konzeptionen produziert [32, S.
13–14; 17, S. 167]. Nach Meinung von G. P. Melnikov kann man nur vier
Konzeptionen in der Geschichte der Sprachwissenschaft für synthetisierende
halten. Das sind die sprachwissenschaftlichen Konzeptionen von W. Humboldt, І. І.
Sresnewski, A. A. Potebnja, und J. Baudouin de Courtenay. In der Interpretation
von L. G. Subkowa kann man für synthetisierende die Konzeptionen von J.
Herder, W. Humboldt, A. A. Potebnja, und J. Baudouin de Courtenay halten [17,
S. 168].
Die Zweckmäßigkeit
der Gliederung der sprachwissenschaftlichen Konzeptionen auf synthetisierende
und aspektierende nicht verneinend, werden wir einige Gründe im
Zusammenhang mit der Behauptung aussprechen, dass die historisch-vergleichende
Sprachwissenschaft der ersten Periode (von 1820 bis 1860) ein Asystemherangehen
an die sprachlichen Erscheinungen hatte.
Es ist schwer,
dieser These beizustimmen [9, S. 34]. Die Behauptung, dass die klassische
historisch-vergleichende Sprachwissenschaft die sprachlichen Erscheinungen
isoliert, d. h. außer dem System, betrachtet, widerspricht den realen
Tatsachen: die Eröffnung in der urindoeuropäischen Sprache
verschiedener Konsonantenreihen: Kehlkopflaute, Bestandsonanten u. ä.
bedeutet die Eröffnung gerader Systemerscheinungen, aber nicht der
isolierten sprachlichen Erscheinungen.
Außerordentlich
wichtig im methodologischen Aspekt scheint die Behauptung, dass die wichtigsten
Ergebnisse in der Erkenntnis der Systemeigenschaften der Sprache im 19.
Jahrhundert der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft gehören [32,
S. 34]. In ihren Grenzen ist die Ansicht über die Sprache wie über
die Systemerscheinung allgemein verbreitet [9, S. 34].
Die weiteren
Forschungen haben auch andere Ausnahmen vom Grimmsches Gesetz gezeigt. So ist
es in der gotischen Sprache bіuda „ich schlage vor“, was dem
altindischen bōdhamі „ich schlafe nicht“ entspricht. Laut der ersten Lautverschiebung in der
gotischen Sprache sollte [p], aber nicht [b] sein. Ähnliche Erscheinungen
hat der deutsche Sprachwissenschaftler H. Graßman als Folgen „des
Hauchdissimilationsgesetzes“ erklärt: in den altindischen und
altgriechischen Sprachen konnte das wurzelständige Morphem zwei
Hauchkonsonanten nicht einschließen, infolgedessen sollte einer von ihnen
den Hauchcharakter verlieren [57, S. 115-116]. In diesem Zusammenhang spricht man
von dem „Graßmannschen Gesetz“ [63, S. 49]. Also, im obengenannten
Beispiel, laut Graßmannschem Gesetz, in dem altindischen Wort bōdhamі
war der erste Konsonant zuerst ein hauchender (bhōdhamі),
was vollständig dem gotischen [b] im Wort bіuda entspricht, und
der urindoeuropäischer Archetyp in diesem Fall ist *bheudh- [57, S. 116].
Noch später hat
der dänische Sprachwissenschaftler Karl Verner einige andere Differenzen
im Grimmschen Gesetz herausgefunden. Er hat bemerkt, dass die Abweichung vom
Grimmschen Gesetz auch in solchen Formen, wie sanskrit. pіtar,
gotisch. fadar, deutsch. Vater beobachtet wird. So erklären sich aus der Wirkung
des sogenannten „Vernerschen Gesetzes“: stimmlose Reibelaute, die aus den
urindoeuropäischen stimmlosen plosiven Konsonanten entstanden sind, sowie
der Laut s wurden sie klangvoll, wenn der vorhergehende Vokal keine urindoeuropäische
Betonung hatte [66]. Also, das Vernersche Gesetz berücksichtigt die Folgen
der Beziehung der Betonungsstelle der urindoeuropäischen Sprache zum
entsprechenden Konsonanten [60, S. 87].
In der sowjetischen
Sprachwissenschaft war die ethnisch-psychologische Hypothese von J. Grimm als
„naiv“, „unwissenschaftlich“ und sogar „chauvinistisch“ bewertet worden [12].
Im Folgenden werden
auch andere Erläuterungen aufgestellt. Nach Meinung des Vertreters der
Leipziger sprachwissenschaftlichen Schule H. Osthoff, wurde die erste
germanische Lautverschiebung durch den geographischen Faktor – die
Lebensbesonderheiten der Germanen in den Berggegend Skandinaviens und der Alpen
– ausgelöst (was die Bildung bestimmter Artikulationsgewohnheiten
unterstützte). Das wird vom Wortmaterial der armenischen Sprache
bestätigt, in der eine Lautverschiebung stattgefunden hat, die in vieler
Hinsicht der germanischen ähnlich ist [62, S. 278].
Die Theorie vom
Substrats erschien erst später. Der Autor war der französische Wissenschaftler
A. Meillet, der sich mit der vergleichenden Sprachwissenschaft
beschäftigte. Wie auch H. Osthoff, hielt A. Meillet für den
innensprachlichen Grund der ersten germanischen Lautverschiebung die
Artikulationsveränderung der Konsonanten. Jedoch tritt als der
äußerlich sprachwissenschaftliche Faktor bei Meillet nicht die
Veränderung des Wohnortes (wie wird es bei Osthoff beobachtet) auf, die
Rolle spielt die Vermischung der urgermanischen Sprache mit irgendeiner Sprache
– dem Substrat [30, S. 4043].
Die Frage über
die Gründe der ersten germanischen Lautverschiebung bleibt auch heute
widersprüchlich [34, S. 22–23; 55, S. 34–35]. Dasselbe muss man über
die Chronologie sagen. J. Grimm meinte, dass die erste germanische
Lautverschiebung die urgermanische Sprache – die Grundsprache – betraf; es war
unmöglich – die genauere Chronologie in der Anfängerstufe der
Entwicklung der vergleichenden Sprachwissenschaft zu geben. Später haben sich
die Sprachwissenschaftler mit den fremdsprachlichen Entlehnungen in den
germanischen Sprachen, germanischen Entlehnungen aus den anderen Sprachen,
sowie mit der Übertragung der Eigennamen der antiken Autoren beschäftigt.
So war das lateinische Lexem graecus von der gotischen Sprache als kreks, und
cannabіs „der Hanf“ – als hanaps entlehnt. Also, in der gotischen Sprache gab es
zu jener Zeit schon die Folgen der ersten Lautverschiebung; die erste
germanische Lautverschiebung kann man mit dem Datum 5.-4. Jahrhundert vor
unserer Zeitrechnung eingrenzen. Einige Germanisten datierten den betrachteten
Prozess vom tausendsten Jahr vor unserer Zeitrechnung oder sogar vom zweiten
Jahrtausend v. u. Z. an [38, S. 43; 65, S. 27].
Einige Fragen wurden
heute nicht bis zum Ende gelöst: die phonologische Grundlage des betrachteten
Gesetzes, sein phonetischer Mechanismus, die Verbindung mit ähnlichen
Prozessen in der weiteren Geschichte der germanischen Sprachen und der Sprachen
anderer Gruppen der indoeuropäischen Familie [34, S. 14-24].
Die Perspektiven der
weiteren Forschungen sehen wir in einem vertiefenden Studium anderer
historischer phonetischer Gesetze in der europäischen Sprachwissenschaft
des 19. Jhs. und der ersten Hälfte des 20. Jhs.
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