Экономические науки/16.Макроэкономика.

Vlasowa I. A.

Azrapkina K.F.

Nationale Universität für Wirtschaft und Handel namens M. Tugan-Baranowsky, Ukraine

 

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank

 

Mit Gründung der Europäischen Währungsunion haben zwölf Länder ihre nationale Souveränität in der Geldpolitik aufgegeben und auf eine neu errichtete Institution, die Europäische Zentralbank (EZB) übertragen. Als supranationale Institution entscheidet die EZB unabhängig, und diese Unabhängigkeit ist im EU-Vertrag gesichert – sowohl hinsichtlich der Einflussnahme seitens des Rates oder der Kommission als auch hinsichtlich der geldpolitischen Funktionen. Der Status der EZB, der das wirtschaftspolitische Machtgefüge in Europa grundlegend veränderte, hat sie in besonderer Weise der Kritik ausgesetzt. Eine Analyse ihrer Geldpolitik der zurückliegenden sechs Jahre, welche die theoretischen Grundlagen ihres geldpolitischen Konzepts mit einbezieht, zeigt jedoch, dass diese Kritik nur zum Teil berechtigt ist.

Eine Zentralbank kann ihre Aufgabe den Geldwert zu sichern, nur erfüllen, wenn sie den Geldbestand unter Kontrolle hat. Geld wird jedoch durch private Verträge geschaffen. Es gibt zwei Kanäle der Geldschöpfung. Geld entsteht erstens, wenn die Geschäftsbanken Wertpapiere in ihre Portefeuilles nehmen, die durch die öffentliche Hand oder private Unternehmen emittiert werden, oder wenn sie Devisen kaufen. Die zweite Art der Geldschöpfung sind Kreditverträge der Geschäftsbanken mit privaten Unternehmen, privaten Haushalten oder der Regierung. Die Zentralbank hat also nur einen indirekten Einfluss auf den Geldbestand einer Volkswirtschaft. Der Hebel für die Zentralbank wird wirksam, sobald die Nichtbanken Geld von ihren Bankkonten abziehen, eine Geschäftsbank also ihre Verträge mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel erfüllen muss. In diesem Fall braucht die Geschäftsbank das Geld der Zentralbank, das sie nicht selbst schaffen kann. Zwar kann sich die einzelne Bank Liquidität von einer anderen Bank im so genannten Geldmarkt leihen. Aber der Bankensektor als Ganzes kann seine Liquidität nur durch Verträge mit der Zentralbank erhöhen. Die Zentralbank steuert die Liquidität des Bankensektors durch kurzfristige Kontrakte. Ihr zentrales geldpolitisches Instrument sind die kurzfristigen Zinssätze, zu denen die Geschäftsbanken Basisgeld leihen (bzw. durch Wertpapier-Verkäufe beschaffen) können. Im Folgenden werden wir diese Refinanzierungssätze der Zentralbank der Einfachheit halber als Leitzinsen bezeichnen.

Um die Transmission geldpolitischer Impulse zu verstehen, müssen wird die Technik dieser Transaktionen zwischen der Zentralbank und den Geschäftsbanken nicht näher betrachten. Entscheidend ist, dass die Zentralbank durch die Steuerung des Liquiditätsstatus des Bankensektors eine indirekte Kontrolle über den Geldbestand der Volkswirtschaft ausübt. Veränderungen des Geldbestandes, der so genannten Geldmenge, können beobachtet und zur Beurteilung der Wirkungen der Geldpolitik herangezogen werden. Bietet die Zentralbank den Geschäftsbanken Liquidität zu günstigeren Bedingungen an, wird dieser monetäre Impuls wahrscheinlich stimulierend auf die Expansion des Geldbestandes wirken. Wir können zumindest annehmen, dass die Geschäftsbanken ihre Liquidität zu den günstigeren Bedingungen erhöhen, damit sie in der Lage sind, das Kredit- und Geldvolumen auszuweiten. Andererseits wird es einen dämpfenden Einfluss auf die Expansion von Kredit- und Geldbestand haben, wenn die Zentralbank die Leitzinsen erhöht. Im Allgemeinen sind die restriktiven Wirkungen der Geldpolitik mit größerer Sicherheit zu erwarten als ihre expansiven Effekte.

Die Geldmenge zeigt den Liquiditätsstatus der Nichtbanken an: der privaten Unternehmen sowie der privaten und der öffentliche Haushalte. Wir können Veränderungen der Geldmenge gut beobachten, aber es ist nicht so leicht, sie zu erklären – und damit Schlüsse auf die Wirkungen der Geldpolitik zu ziehen. Verändert sich die Geldmenge, so kann dies durch eine Veränderung des Geldangebots oder der Geldnachfrage verursacht worden sein. Darüber gibt der Indikator der Geldmenge keine Auskunft. Um die ursächlichen Beziehungen zu erkennen, die wir für eine Analyse der Veränderungen des Liquiditätsstatus einer Volkswirtschaft benötigen, brauchen wir zusätzliche Informationen, und wir brauchen eine Theorie. Die Erklärung der Transmission monetärer Impulse greift im Wesentlichen auf drei Theorie-Ansätze zurück, die für das Verständnis der geldpolitischen Konzepte wichtig sind.

Die Quantitätstheorie des Geldes betrifft das langfristige Gleichgewicht einer Volkswirtschaft. Auf lange Sicht ist Inflation ein monetäres Phänomen. Ein überschüssiges Geldangebot wird schließlich zu einem allgemeinen Preisanstieg führen. Dieses simple Modell des Transmissionsprozesses sendet eine klare Botschaft an die Geldpolitik, nämlich die Geldmenge auf mittlere Sicht zu kontrollieren und die monetäre Expansion am Potenzialwachstum der Volkswirtschaft zu orientieren. Das Modell erklärt jedoch nicht, wie die von der Zentralbank ausgelösten monetären Impulse, nämlich Veränderungen der kurzfristigen Zinsen, die Geldmenge beeinflussen.

Bisher haben wir die theoretischen Grundlagen zweier Transmissionskanäle erachtet. Geldpolitische Impulse werden über die Geldmenge  und über das Zinsniveau übertragen. Aber es gibt einen irekten Kanal, durch den die Zentralbank die künftige Inflationsrate beeinflusst an, nämlich ihr Einfluss auf die Erwartungen der Marktakteure. Viele Verträge in der Volkswirtschaft, insbesondere Arbeitsverträge und Kreditverträge, betreffen die mittlere und die lange First. Diese Verträge regeln künftige Zahlungsverpflichtungen und enthalten somit implizit oder explizit eine Annahme über die künftige Inflationsrate. Die Erwartungen der vertragsschließenden Parteien über die künftige Inflation werden wesentlich von ihrer Einschätzung der Geldpolitik bestimmt. Wenn sie die Geldpolitik als glaubwürdig wahrnehmen und entsprechend für die Zukunft eine niedrige Inflationsrate erwarten, werden sie in ihren Verträgen die künftigen Zahlungsverpflichtungen auf der Grundlage einer niedrigen Inflationsrate kalkulieren.

Zwei besondere Aspekte dieses Glaubwürdigkeit-Spiels sind in der jüngeren Debatte deutlich geworden. Erstens fördert es die Glaubwürdigkeit, wenn die Zentralbank einen stetigen Kurs der Geldpolitik verfolgt und die kurzfristigen Zinssätze nicht zu häufig ändert. Zweitens hängen die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik davon ab, wie sich die Wirtschaftspolitik im Übrigen verhält, insbesondere die Fiskalpolitik und die Lohnpolitik der Tarifparteien am Arbeitsmarkt. Im Euroraum besteht dabei ein besonderes Koordinierungsproblem, weil diese Bereiche der Wirtschaftspolitik auf der nationalen Ebene entschieden werden. Davon abgesehen, befindet sich die Zentralbank in einem Entscheidungs-Dilemma. Nehmen wir zum Beispiel ihren Einfluss auf den langfristigen Zinssatz. Dieser Zinssatz bringt die Inflationserwartungen zum Ausdruck, d.h. er gibt an, wie die Märkte den künftigen Erfolg der Geldpolitik einschätzen. Aber der langfristige Zins reflektiert auch die reale Unsicherheit in den Märkten und, dem entsprechend, den Grad der Liquiditätspräferenz. Die Unsicherheit der Marktakteure ist auch davon abhängig, wie sich die Fiskalpolitik und die Tarifparteien am Arbeitsmarkt verhalten. Falls sie sich kooperativ verhalten, die Fiskalpolitik beispielsweise einen Konsolidierungskurs verfolgt, wird das die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik mit Sicherheit vergrößern. Aber das monetäre Gleichgewicht verlangt in diesem Fall einen expansiveren Kurs der Geldpolitik als sonst. Zwar vermindert der restriktive Kurs der Fiskalpolitik die Inflationserwartungen, aber er hat auch eine dämpfende Wirkung auf das Realeinkommen und den Beschäftigungsgrad der Volkswirtschaft. Die Zentralbank ist also in einer strategischen Position. Falls sie nicht kooperiert und ihren Kurs ausschließlich auf das Ziel der Preisstabilität ausrichtet, wird das die Fiskalpolitik in Schwierigkeiten bringen und die Unsicherheit in den Märkten wird sich nicht verringern.

Literaturhinweise

1.     Aguiar, A., Martins, M. (2005), The preferences of the euro area monetary policymaker. Journal of Common Market Studies vol. 43 (2), pp. 221-250.

2.     Allsopp, Ch., Artis, M. (2003), The Assessment: EMU, four years on. Oxford Review of Economic Policy vol. 19 (1), pp. 1-29.

3.     Ehrmann, M., et al. (2003), The Effects of Monetary Policy in the Euro Area. Oxford Review of Economic Policy, vol. 19 (1) Suppl. 1, pp. 58-72.