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Vlasowa I. A.

Shevchenko W.

Nationale Universität für Wirtschaft und Handel namens M. Tugan-Baranowsky, Ukraine

 

Die Geldpolitik der EZB

 

Wie hat die Europäische Zentralbank ihre geldpolitischen Ziele erfüllt? Als neu gegründete Institution, deren geldpolitisches Konzept als widersprüchlich kritisiert wurde, hat die EZB von Anfang an die Aufmerksamkeit monetärer Ökonomen, der Finanzmärkte und der Öffentlichkeit geweckt. Die EZB hat in ihrem Bericht über die Geldpolitik im Jahr 2004 noch einmal den Anspruch bekräftigt, dass die Durchführung der Geldpolitik im Euroraum „durch das vorrangige Ziel geleitet worden, Preisstabilität mittelfristig zu gewährleisten“. Im Hinblick auf dieses mittelfristige Ziel reagierte die EZB auf monetäre und wirtschaftliche Schocks, die von ihr als Risiken für die Preisstabilität wahrgenommen wurden. Verschiedene empirische Studien haben dieses Verhalten der EZB dahin interpretiert, dass die Maßnahmen der EZB und ihre Rhetorik eine Strategie der direkten Inflationsteuerung verraten.

So kommt die Studie von Aguiar und Martins, die hier stellvertretend genannt sei, zu dem Schluss, dass die EZB ein striktes Inflationsziel verfolgt. Die Autoren zeigen in einer Langzeitanalyse, dass der Prozess der monetären Konvergenz im Euroraum bereits 1995 einsetzt und schätzen einen präferierten Zielwert für die Teuerungsrate von 1,6% p.a.

Gemessen an ihren Handlungen kann die Geldpolitik der EZB seit ihrem Beginn im Januar 1999 als eine Sequenz von vier Phasen beschrieben werden. Die Startphase war durch einen Deflationsdruck im Eurogebiet charakterisiert – im Januar 1999 lag die jährliche Teuerungsrate, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex, unter 1% -, so dass die Zentralbank die Geschäftsbanken zu großzügigen Bedingungen mit Liquidität versorgen konnte. Die Leitzinsen wurden auf ein vergleichsweise niedriges Niveau gesetzt, etwa 2 Prozentpunkte niedriger als die Federal Funds Rate der Vereinigten Staaten und der Leitzins der Bank of England, die sich 1999 auf etwa dem gleichen Niveau bewegten. Auch hat die EZB mit einer relativ großen Spreizung zwischen dem Einlagensatz und dem Spitzenrefinanzierungssatz einen großzügigen Spielraum für die Anpassung der Marktzinsen an das neue System gewährt. Die Bewegung der Marktzinsen während dieser ersten Phase zeigt an, dass genügend Liquidität zur Finanzierung des wirtschaftlichen Wachstums und der Expansion des Kreditvolumens vorhanden war.

In der zweiten Phase führte die EZB von November 1999 bis Oktober 2000 eine Serie von Zinserhöhungen durch. Dieser eindeutig restriktive Kurs folgte der Fed und der Bank of England, die bereits im Sommer 1999 begonnen hatten, ihre Leitzinsen zu erhöhen. Der Grund für diesen Wechsel der Geldpolitik war, dass die EZB in dem fortgesetzten Anstieg der Dollar-Ölpreise auf den Weltmärkten Risiken für die Preisstabilität sah, die durch die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar noch verstärkte wurden. Steigende Importpreise in einer Phase noch kräftigen Wirtschaftswachstums – das Bruttoinlandsprodukt des Euroraums wuchs mit einer Jahresrate von 4% - wurden als ein substantielles Risiko für die Preisstabilität interpretiert. Zu dieser Zeit betrug die Kerninflationsrate noch 1% p.a. Sie erreichte ihren höchsten Wert (2 ½%) im Frühjahr 2002. Zusätzlich zu ihrem restriktiven geldpolitischen Kurs initiierte die EZB eine konzertierte Intervention auf den Devisenmärkten, um die Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar aufzuhalten. Diese Intervention wurde auf dem G7-Gipfel vom 22. September 2000 beschlossen und von den Zentralbanken der G7-Staaten gemeinsam ausgeführt. Sie wirkte. Die Abwertung des Euro wurde gestoppt und später, im Verlauf des Jahres 2002, in einen Aufwertungstrend für den Euro umgekehrt. Die konzertierte Aktion zugunsten des Euro hätte ausgereicht, die inflatorischen Risiken im Eurogebiet zu begrenzen. Leider blieben auch die Zinserhöhungen nicht wirkungslos, sondern dämpften das wirtschaftliche Wachstum, das seinen Höhepunkt im Sommer 2000 überschritt und in einen drei Jahre andauernden konjunkturellen Abschwung mündete. Es ist bemerkenswert, dass sich die Inflation während dieser Periode noch bis Mitte 2002 beschleunigte. Man muss jedoch auch hinzufügen, dass der Konjunkturabschwung nicht von der EZB ausgelöst wurde, sondern seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten hatte.

Nachdem die hohen Leitzinsen die monetäre Expansion im Euroraum stark verlangsamt hatten, reagierte die EZB und begann im Mai 2001 mit einer Reihe von Zinssenkungsschritten, die sie schließlich im Juni 2003 bei 2% für den Hauptrefinanzierungssatz beendete. Diese dritte Phase einer expansiven Geldpolitik wird jedoch durch die Zinssenkungen nicht vollständig beschrieben. Wichtiger war die Beschleunigung der monetären Expansion, wie sie in der Entwicklung des monetären Aggregats M3 sichtbar wird.

Während die Wachstumsrate der Geldmenge in den beiden ersten Jahren nahe des Referenzwertes gehalten wurde, beschleunigte sich das Geldmengenwachstum innerhalb von 6 Monaten auf 8% p.a.. Diese plötzliche monetäre Expansion, die sich in den folgenden Jahren mit etwa gleichem Tempo fortsetzte, muss in Zusammenhang mit der Aufwertung des Euro gesehen werden, welche die Richtung Die Fed startete bereits im Januar 2002 einen entschiedenen Wechsel zu einer expansiven Geldpolitik der internationalen Finanzströme umkehrte. Aufgrund der veränderten Erwartungen über den künftigen Wechselkurs wurde der Euro für internationale Investoren eine interessante Anlage. Die EZB deutet in ihrem Bericht Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten an, um die Beschleunigung des Geldmengenwachstums zu erklären. Die interessante Frage ist aber, warum die Zentralbank die Ausweitung der Geldbestände akzeptiert hat. Sie steht damit keineswegs in Widerspruch zu einer Strategie des Geldmengenziels, wie es die Vertreter einer strikten Inflationsteuerung interpretieren. Da die Geldnachfrage in das Eurogebiet drängte, war eine Erhöhung des Geldangebots möglich, ohne zusätzliche Risiken für die Preisstabilität in Kauf nehmen zu müssen. Was wäre die Alternative gewesen? Wenn die Zentralbank versucht hätte, die monetäre Expansion zu dämpfen („sterilisieren“), hätte sie entweder höhere Zinsen oder eine zusätzliche Aufwertung des Euro ausgelöst. Tatsächlich sanken die Zinsen – konjunkturgerecht – und der Aufwertungstrend für den Euro begann erst Mitte 2002. Folglich war die Akzeptanz des scheinbar übermäßigen Geldmengenwachstums während dieser Phase das entscheidende Element einer akkommodierenden Geldpolitik, die gleichwohl die monetäre Stabilität und das mittelfristige Ziel der Preisstabilität im Auge behielt.

In der vierten Phase schließlich, seit Mitte 2003, hat die EZB ihre Leitzinsen nicht mehr verändert. Diese Phase ist gekennzeichnet durch eine langsame wirtschaftliche Erholung im Euroraum, verbunden mit Preisstabilität. Obwohl es wieder zu einem starken Anstieg des Ölpreises auf den Weltmärkten gekommen ist, sieht die EZB in dieser Phase keine Gefahr, dass dadurch inflatorische „Zweitrunden-Effekte“ im Euroraum ausgelöst werden. Sie orientiert sich in ihren Analysen verstärkt an einer mittelfristigen Perspektive und an den – sehr stabilen – längerfristigen Inflationserwartungen.

Literaturhinweise

1.     Aguiar, A., Martins, M. (2005), The preferences of the euro area monetary policymaker. Journal of Common Market Studies vol. 43 (2), pp. 221-250.

2.     Allsopp, Ch., Artis, M. (2003), The Assessment: EMU, four years on. Oxford Review of Economic Policy vol. 19 (1), pp. 1-29.

3.     Ehrmann, M., et al. (2003), The Effects of Monetary Policy in the Euro Area. Oxford Review of Economic Policy, vol. 19 (1) Suppl. 1, pp. 58-72.